Ein Text von Paulina Breitwieser
4:30 Uhr, der Wecker klingelt. Kraftlos öffne ich langsam meine Augen. Ich muss mich beeilen! In einer halben Stunde gibt es Frühstück. Schnell stehe ich auf. Aua! Meine Beine fühlen sich so schwach an, dass ich mich am liebsten wieder ins Bett legen würde. Doch draußen höre ich schon die Schritte der anderen und gehe ins Bad. Und wieder merke ich, welche Nachteile es hat, in einem Sportinternat zu leben. Man kann sich morgens nicht in Ruhe anziehen, ohne gefragt zu werden, wie es einem geht oder ob man gut geschlafen hat. Ich beeile mich, um keine doofen Fragen gestellt zu bekommen, putze schnell meine Zähne und verkrieche mich in meinem Zimmer. Nach 10 Minuten bin ich fertig und mache mich auf den Weg zum Speisesaal. Es gibt das gleiche Essen wie immer: eine Schüssel Cornflakes mit Milch, die eigentlich nur nach Wasser schmeckt – denn fetthaltige Milch macht dick, und wenn man zunimmt, kann man keine optimale Leistung erzielen.
5:30 Uhr, ich laufe die engen, grün gestrichenen Gänge zur Halle entlang. Meine Beine können mich mittlerweile wieder halbwegs tragen, doch ob mir irgendetwas weh tut oder ob ich krank bin, interessiert die Trainerinnen nicht. Nach zwei Stunden Training renne ich wieder hoch in mein Zimmer, denn die Schule beginnt in 15 Minuten. Naja, Schule kann man es nicht nennen. Es sind eher durch Training unterbrochene Schulstunden, in denen man nur das Nötigste lernt. Trotzdem ist es total schwierig, sich auf den Unterricht vorzubereiten, denn für Hausaufgaben ist nur spätabends Zeit.
7:45 Uhr. Puh, gerade noch pünktlich! „Pia! Piiiiiaaaaa?“ Was, wo, wie! „Hallo, bist Du noch im Tiefschlaf?“ Tiefschlaf…ja, eigentlich schon. Eigentlich bin ich total müde und habe meine Energie für diesen Tag schon aufgebraucht, dabei habe ich fast den ganzen Tag noch vor mir. „Ähm, was?“, frage ich. „Hast Du die Hausaufgaben gemacht?“ „Äh, die Hausaufgaben?“ „Ja, den Text, den ihr zusammenfassen solltet.“ „Oh, nein. Habe ich vergessen, tut mir leid!“ „Oh, Pia, wie willst du denn deinen Abschluss schaffen?“ Ja, das würde ich auch gerne wissen. Wie soll man denn bei diesem hohen Maß an Trainingsstunden noch Zeit zum Lernen finden. Der Schulgong klingelt um 13:30 Uhr. Zum Glück! Schule ist für heute erst mal geschafft. Noch eine Stunde Training, dann Mittagspause und danach nur noch drei Stunden Abendtraining.
15:00 Uhr, Mittagessen. Es gibt Reis mit Tomatensauce wie jeden Donnerstag. Als ich so alleine am Tisch sitze, merke ich, wie sehr ich meine Freunde vermisse. Früher, als ich noch auf eine normale Schule ging, hatte ich viele Freunde. Hier, auf dem Internat, hatte ich anfangs auch Freunde, doch die haben nach und nach alle aufgehört und das Internat verlassen. Entweder hatten sie Rücken- oder Beinprobleme oder Heimweh. Ich weiß ja auch, dass rhythmische Sportgymnastik auf Dauer nicht gut für meinen Rücken ist, aber aufgeben – das ist für mich keine Option. Solange ich keine schweren Verletzungen habe, werde ich nicht aufhören.
Das Abendtraining mag ich am wenigsten. Wir trainieren 3 Stunden ohne Unterbrechung, obwohl die Kraft immer mehr nachlässt. Außerdem sind die Trainerinnen meist genervt und lassen das an uns aus. „Schneller, schneller! Du musst dich schneller drehen, wenn du die Keulen fangen willst. Jetzt hör auf, hier die lahme Ente zu spielen und streng dich mal an!“ Ich gebe wirklich immer mein Bestes, weil ich im Nationalkader bleiben will, aber trotzdem bekomme ich immer wieder gesagt: „Pia, von nichts kommt nichts. Du musst noch konzentrierter üben, um die Drehungen zu beherrschen!“ Um 20:00 Uhr bin ich froh, dass das Training endlich zu Ende ist. Ich lasse mich auf mein Bett fallen und frage mich, warum ich das hier überhaupt mache. Warum ich mir anhöre, wie schlecht ich wäre, warum ich diese Schmerzen zulasse. Ja, ich weiß es…! Auch, wenn es hier weder entspannt noch locker zugeht, fühle ich mich wohl. Ich mag das Gefühl, am Ende des Tages alles gegeben zu haben und keine Kraft mehr zu spüren. Ich fühle mich hier wohl. Ja…das hier ist meine Heimat!
Paulina Breitwieser/Klasse 8c
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