Wandel der Medienlandschaft – Chance oder Risiko für die Gesellschaft?
Verschwörungstheorien – Ein Schlagwort, das in der Diskussion um den Wandel der Medienlandschaft so häufig fällt, dass man dem ständigen Verwenden dieses Wortes fast unterstellen könnte, selbst genauso plump und einfach, populistisch und universell einsetzbar zu sein, wie es seiner Bedeutung an sich vorgeworfen wird.
Mit dem Wandel der Medienlandschaft geht zwangsläufig das Aufflammen von sozialen Netzwerken einher, wodurch es allen möglich wird, sich jederzeit und überall auszudrücken. Das gibt Menschen, egal in welcher Situation sie sich befinden, die Möglichkeit, einen Ausweg aus ihrer eigenen Welt zu finden und hinauszugehen, in die große weite Welt der sozialen Medien.
Wie so oft erfordert das einen gewissen Umgangsstandard, der manchmal einfach nicht gewährleistet ist, wenn die User so ganz ohne Schwimmunterricht ins tosende Meer aus Inhalten und Möglichkeiten, Chancen und Gefahren springen. Wenn Informationen nicht gefiltert werden, aber nach Orientierung, Identität und Anerkennung gesucht wird, dann können sich eben beispielsweise Verschwörungstheorien rasend schnell verbreiten. Denn diese können es ermöglichen, sich nicht im tieferen Sinne mit einem Thema beschäftigen zu müssen, da es sich mit einer Verschwörung leicht erklären lässt. Natürlich wird es auch innerhalb einer solchen Verschwörung komplizierte Netze geben, zum Beispiel in rechten oder auf schlichtweg reinen Fiktionen basierenden Gruppierungen, diese stärken aber vor allem das Gemeinschaftsgefühl, zu einer solchen Gruppe zu gehören, wenn sie auch nur aus sich Verschwörenden besteht. Ohne Frage ein Problem, besonders wenn solche Theorien wirklich aktiv politische Prozesse gefährden, beispielsweise wenn es um die Corona Pandemie geht.
Doch genau mit solchen voreiligen und oberflächlichen, wenn auch nicht verschwörerischen Thesen werden die Risiken durch den Wandel der Medienlandschaft oft beschrieben und die Chancen zunichte gemacht: Durch die sozialen Medien würden wir verblöden, es gäbe dort nur Bullshit, die User müssten alles glauben – mich lässt das zweifeln, ob die sozialen Medien hier überhaupt als eigenes Medium angesehen werden. Doch diese Auseinandersetzung ist viel zu einseitig: Es handelt sich um einen wahrhaftigen Wandel der Medien, nicht um einen kleinen Schlenker in eine unbekannte Welt.
Die sozialen Medien sind viel komplexer. Zu jedem Themenbereich gibt es Fluten von Informationen, alle können informieren und sich selbst mit Informationen versorgen. Vielleicht eröffnen uns die sozialen Medien sogar eine Möglichkeit, aus unserem eigenen Gedankenraum auszubrechen. Die Hürde, einem anderen Profil zu folgen, ist schließlich viel geringer, als sich zum Beispiel mehrere Zeitungen zu kaufen. Wir können uns viel eher einer Breite von Inhalten und Perspektiven hingeben.
Ich finde es wichtig, dass in dieser Diskussion gerade auch junge und medienerfahrene Menschen eine Stimme bekommen. Denn von außen wirken soziale Medien vielleicht manchmal weniger fördernd, als sie wirklich sind. Der Wandel der Medienlandschaft kann nicht nur betrachtet werden, indem sich das Medienverhalten einer Person oder von „Smombies“ angeschaut wird, hier ist es wichtig, sich ein breites Bild zu verschaffen und zu überprüfen, welche Möglichkeiten es überhaupt gibt. Ich bin mir sicher, alle würden feststellen, dass soziale Netzwerke unglaubliche Chancen bieten!
Warum? Gerade für junge Menschen können soziale Medien eine Chance für ihre Reifungsprozesse darstellen. Unser ganzes Leben lang formen und entwickeln wir unsere Identität. Diese können wir in sozialen Medien zum Ausdruck bringen. So finden wir vielleicht auch hilfreiche Kontakte, die uns beispielsweise für unsere berufliche Zukunft hilfreich werden können. Denn an den sozialen Medien ist vor allem besonders, dass eine soziale Interaktion stattfindet. Einen Post der Tagesschau können beispielsweise alle kommentieren, bei einer digitalen Demo kann ich mein Statement posten oder selber etwas schreiben. Medien werden nicht nur konsumiert, sondern auch eigenständig produziert. So können alle einen Beitrag für die Gesellschaft leisten.
Dass diese Medien den Ausweg aus der eigenen Unwissenheit ebnen können, minimiert Überheblichkeit: An einer fachlichen Diskussion, egal ob online oder auch im präsenten Leben, kann ich teilnehmen, meinem*meiner Gesprächspartner*in die Stirn bieten und ihn*sie ergänzen. Gemeinsam können neue Ansätze gefunden werden, was ohne Informationsbeschaffung und Informationsaustausch durch die neuen Medien gar nicht möglich gewesen wäre.
Die neuen Medien können also bei alltäglichem Diskurs, aber auch bei wichtiger Entscheidungsfindung helfen. Das führt mich auch zu dem Aspekt, dass nicht zu vernachlässigen ist, wie stark soziale Netzwerke politisieren. Zwar sind auch alte Medien meinungsbildend, aber dagegen wird oft die Qualität von journalistischen Beiträgen in den neuen Medien unterschätzt: Solche Beiträge führen zu einer neuen Auseinandersetzung mit Themen, die vorher vielleicht nicht im eigenen Horizont lagen. Medien sind politisch und Politik wird über Medien transportiert. Hierbei können gerade die neuen Medien eine entscheidende Rolle spielen.
Natürlich birgt auch das Gefahren: Den Kanälen in den sozialen Medien und den Personen hinter ihnen ist nicht blind zu trauen, wenn wir zum Beispiel den früheren Twitter Account des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump betrachten. Aber auch hier gelten die gleichen Regeln wie für die alten Medien: Eine Rede in Präsenz muss genauso kritisch beäugt werden, wie ein kurzer Tweet.
Die Medien ändern sich. Ein Prozess, der nicht mehr aufzuhalten ist. Dafür ist es an der Zeit, diesen Medienwandel zu akzeptieren und sich mit ihm auseinanderzusetzen. Wie mit allen Formen von Medien gehen auch mit den neuen Medien Chancen und Risiken einher. Diese Risiken sind sicher nicht zu missachten und vor allem durch das Lernen eines richtigen Umgangs mit Medien in wissensvermittelnder aber nicht belehrender Form zu beheben. Die Risiken sind da, aber es sind Herausforderungen, die zu schaffen sind und auch zu schaffen sein müssen, um aus dem Medienwandel das Beste mitzunehmen.
Dass die neuen Medien auch als solche wahrgenommen werden, ist besonders deswegen wichtig, damit sich auch in Staat und Politik intensiv mit ihnen auseinandergesetzt wird. Denn in manchen Ländern werden kritische Inhalte verboten, was Gefahren für die Demokratie birgt. Außerdem werden die Social-Media-Richtlinien allein von der Geschäftsleitung der Plattform, von Privatpersonen verfasst: So kommt es zum Beispiel zum Entblößungsverbot für weibliche Nippel auf Instagram, obwohl dieses Verbot doch unseren staatlichen und ethischen Grundsätzen von Gleichberechtigung widerspricht.
Die Änderung der Medienlandschaft ist in meinen Augen eine Bereicherung. Der große Vorteil der neuen Medien liegt darin, dass sie allen Menschen Teilhabe ermöglichen und eine neue Form von Konsum und Kommunikation schaffen. Sie spenden Menschen, die vorher keine Stimme gehabt haben, Möglichkeiten sich auszudrücken oder selber auf eine nie dagewesene Art zu lernen.
Doch oft wird der Einfluss der neuen Medien unterschätzt. Außenstehenden ist manchmal gar nicht klar, welch Imperium aus Informationen sich in sozialen Medien aufgebaut hat. Es bleibt also offen, welche Wirkung die rasche Verbreitung von Fake News, mangelndes Wissen, aber auch pure Unterschätzung haben wird. Vor allem aber bin ich neugierig, zu erleben, welche großartigen Taten mit Hilfe der sozialen Medien noch vollbracht werden.
Julia Sophie Hack
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