Liebe Leser und Leserinnen, …
Liebe Leser, …
Liebe LeserInnen, …
Liebe Leser_innen, …
Liebe Lesenden, …
Liebe Leser*innen, …
Schon am Anfang dieses Artikels scheitert es daran, dass ich nicht weiß, wie ich euch ansprechen soll. Ich könnte zu eurer Begrüßung gendergerechte Sprache anwenden, von der es viele verschiedene Varianten gibt. Aber ich könnte es nicht tun, denn wen interessiert das schon? Darüber werde ich hier schreiben.
Erstmal wtf ist gendergerechte Sprache?
Gendergerechte oder auch geschlechtergerechte Sprache achtet darauf, nicht nur die männliche Form einer Bezeichnung als allgemeine Bezeichnung für eine Gruppe an Menschen verschiedener Geschlechter zu verwenden. (Verwendet man nur maskuline Formen als allgemeine Bezeichnung wird dies als generisches Maskulinum bezeichnet.)
Und warum das alles?
Feminist*innen haben die These aufgestellt, dass durch das Zentrieren unserer Sprache auf das Männliche das Ungleichgewicht zwischen den Geschlechtern weiterhin in den Köpfen verankert bleibe. Durch geschlechtslose Sprache oder durch Sprache, die allen Geschlechtern gleich viel Raum gibt, könne die Gleichstellung aller Geschlechter voran gebracht werden. Außerdem könne es passieren, dass man sich als nicht männliche Person nicht angesprochen fühlt.
Die meisten Menschen machen sich darüber nicht sehr viele Gedanken. Deshalb habe ich beschlossen, diesen Artikel zu schreiben, um euch etwas zum Denken anzuregen. Denn Dinge, die nur unterbewusst wahrgenommen werden und über die man sich nie groß Gedanken macht, sind kritisch zu hinterfragen. Wie sollte man denn sonst wissen, ob sie – plump gesagt – “gut” oder “böse” sind.
Welche Möglichkeiten zur gendergerechten Sprache gibt es? Und was sind jeweils Vor- und Nachteile?
Für geschlechtergerechte Sprache gibt es mehrere Möglichkeiten. Grundsätzlich kann man Geschlechter sichtbar machen, indem man männliche und weibliche Formen anwendet, oder man kann sie neutralisieren, indem man neutrale Begriffe verwendet.
Variante 1: sichtbar machen
Sichtbar werden Geschlechter bei Formen wie “Leserinnen und Leser”, “Leser und Leserinnen”, “LeserInnen”, “Leser_innen” und “Leser*innen”.
“Leserinnen und Leser” hat den klaren Vorteil, dass man nicht über Sonderzeichen oder Großbuchstaben “stolpert”, bei denen man nicht so recht weiß, wie man sie aussprechen soll. Außerdem kann man immer zwischen “Leser und Leserinnen” und “Leserinnen und Leser” wechseln. Wenn man das tut, sind diese Formen sehr gerecht. Man hat auch bei “Leser und Leserinnen” sowohl die männliche, als auch die weibliche Form eines Wortes jeweils einzeln und nicht als Mischform. Es ist sehr intuitiv “Leserinnen und Leser” zu sagen. Der Nachteil ist, dass “Leser und Leserinnen” einfach sehr lang ist und es einfach unschön ist, wenn man Bandwurmsätze bildet. Gerade die gesprochene Sprache lebt davon, kurz, knapp und verständlich zu sein. Bei zu langen Sätzen könnte die Aufmerksamkeit der Lesenden oder Zuhörenden verloren gehen. Stellt euch vor, ich hätte anstelle von “der Lesenden oder Zuhörenden” “der Leser und Leserinnen oder der Zuhörerinnen und Zuhörer” geschrieben; es wäre einfach sehr lang gewesen.
Nun zu Formen wie “Leser*innen”, “LeserInnen” und “Leser_innen”. Positiv an ihnen ist, dass sie ziemlich kurz und bündig sind. Die männliche Form und die weibliche Form des Wortes sind zwar nicht mehr getrennt, aber sie sind trotzdem noch erkennbar. Problematisch ist, dass man diese Formen nicht wirklich deutlich machen kann, wenn man sie ausspricht.
Variante 2: neutralisieren
Neutralisiert wird das Geschlecht bei Formen wie “die Lesenden” oder “die lesenden Menschen”.
Ein Vorteil hierbei ist, dass jegliches Zeichen für ein konkretes Geschlecht dabei wegfällt.
Als neutrale Alternative zu “Leser oder Leserin” bietet sich auch “lesende Person” oder “lesender Mensch” an. Nachteilig ist, dass Partizipien nur anwendbar sind, wenn sie im Moment auch zutreffen. Ein Leser oder eine Leserinnen sind keine Lesenden mehr, wenn sie gerade nicht lesen.
Hat geschlechtergerechte Sprache negative Einflüsse auf das Verständnis von Texten?
Dies ist ein Vorwurf, der öfters von Kritikern erhoben wird. Aber ist dies tatsächlich so? Dies haben Wissenschaftler mit Hilfe eines Versuches widerlegt. Sie ließen Männer und Frauen den Text einer fiktiven Packungsbeilage lesen. Diesen gab es mit generischen Maskulinum (nur männliche Formen zur Anrede), Beidnennung (z.B. “Leser und Leserinnen”) und Binnen-I (z.B. “LeserInnen”). Nachdem die Versuchspersonen die Packungsbeilagen gelesen hatten, mussten sie Inhaltsfragen dazu beantworten, um ihn Verständnis zu überprüfen. Dabei zeigte sich, dass es keine großen Unterschiede im Verständnis gab. Frauen erinnerten sich an den Text mit Binnen-I etwas besser und Männer an den Text mit generischem Maskulinum. Danach musste die Qualität des Textes anhand der Merkmale Textverständnis, Güte der Formulierung und Lesbarkeit von den Teilnehmerinnen bewertet werden. Dabei gab es erneut keine großen Unterschiede zwischen den verschiedenen Textvarianten. Dabei bewerteten die Teilnehmerinnen das Binnen-I ein wenig besser und die Teilnehmer erneut das generische Maskulinum. Das Fazit ist also, dass das Verständnis nur sehr gering beeinflusst wird und auch die Qualität eines Textes nicht absinkt, wenn man geschlechtergerechte Sprache anwendet.
Und was nun?
Nochmal kurz zusammengefasst:
- gendergerechte Sprache ist ein guter Schritt auf dem Weg zu mehr Gleichberechtigung
- es gibt diverse Varianten von gechlechtergerechter Sprache, die alle ihre Vor- und Nachteile haben
- geschlechtergerechte Sprache hat keinen negativen Einfluss auf Qualität und Verständlichkeit von Sprache
In diesem Sinne: Bis zum nächsten Mal, liebe LeserInnen
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