In der abgedunkelten Aula erklingt Fahrstuhlmusik, vorne stehen zwei lächelnde Flugbegleiterinnen. Nach einigen Minuten fängt das Publikum an, sich unsicher umzusehen: Hat das Stück schon begonnen? Plötzlich öffnet sich eine Tür und mit farbenfrohen Koffern betreten die Schauspielerinnen und Schauspieler des Abends den Raum: Der DS-Kurs von Herr Jaehnig hat nach monatelanger Vorbereitung am 20. Juni 2017 Premiere mit dem Stück “Silent Island” gefeiert.
Die insgesamt 22 Schülerinnen und Schüler haben sich im Unterricht zu einem großen Teil selbst mit der Ausarbeitung des Stücks, welches auf dem Roman “Herr der Fliegen” von William Golding basiert, befasst: Eine jugendliche Reisegruppe sitzt im Flugzeug nach Lloret de Mar, mit dabei der scheinbare Reiseleiter Ray. Doch es kommt zu einem “Flugzeugabsturz” – ohne autoritäre Vorgaben müssen die Jugendlichen auf einer einsamen Insel versuchen zu überleben. Dabei bilden sich zwei Seiten, es kommt nach einigen Tagen zu zwei Todesopfern. Was die Jugendlichen nicht wissen: Sie werden von Verhaltensforscherinnen, einer Ärztin und Unternehmern beobachtet. Schlussendlich werden diese vor Gericht gestellt und größtenteils verurteilt.
Leon Rozic, Katharina Kraft und Tim Scharmann bilden die drei Hauptdarsteller. Ihnen habe ich einige Fragen gestellt, unter anderem zu “Silent Island” und ihrer persönlichen Einstellung dazu.
Wieso hast du DS gewählt?
Leon: “Ich war in Kunst und Musik nicht so begabt, sag ich mal. Außerdem war DS einfach etwas, was man neu anfangen konnte, wo man noch keine großen Vorurteile hatte. Theaterspielen fand ich schon immer interessant, deswegen war DS dann auch ne gute Wahl.”
Katharina: “Ich hab DS genommen, weil ich schauspielern wollte. Ich wollte wissen, wie man im Alltag schauspielern kann – für Präsentationen zum Beispiel: laut auftreten.”
Tim: “Ich denke, dass man manchmal ein bisschen frischen Wind braucht. Abgesehen davon, habe ich überhaupt nichts mit Kunst oder Musik am Hut, also bot es sich an, DS zu wählen.”
Was gefällt dir an deiner Rolle am besten?
Leon: (spielt Ralph, den Anführer der grünen Seite, welche Regeln und Gleichberechtigung vermittelt.) “Mir gefällt, dass ich dominant bin. Dass ich aber auch gleichzeitig versuche den Schwächeren zu helfen, Kompromisse zu finden, Streit zu schlichten, auf alle zu hören und alle glücklich zu stellen.”
Katharina: (spielt Jackie, die Anführerin der roten Seite, welche auf Selbstversorgung und das Recht des Stärkeren setzt.) “Dieses krankhaft Böse gefällt mir am besten -ich find’s toll! Ich mag zum Beispiel auch Harley Quinn, die ist einfach cool. Deswegen habe ich diese Rolle gewählt.”
Tim: (spielt Ray, den Leiter des Experiments, welcher den Tod zweier Schülerinnen in Kauf nimmt.) “Im Theater kann ich als Ray meine Schulkameradin “du alte Schrulle” nennen und es vollkommen ernst meinen, aber muss mich danach nicht schuldig fühlen. Diese Null-Gewissen-Attitude macht Ray besonders spannend zu spielen. Die Rolle des Wissenschaftlers ist recht gut auf mich zugeschnitten – ich habe meinen Spaß dabei gehabt.”
Wieso habt ihr “Herr der Fliegen” abgewandelt?
Leon: “(…) Wir haben angefangen es durchzulesen. Am Anfang haben wir Biografien für die einzelnen Charaktere geschrieben, ich dann für den Ralph. Wieso wir es abgewandelt haben? Weil es einfach mal was Neues ist und nicht eins, was man schon 10.000-mal gesehen hat, so wie Romeo und Julia.”
Katharina: “Herr Jaehnig hatte uns dieses Stück vorgeschlagen, kurz erklärt um was es da geht, wir haben das ganz cool gefunden. Aber wir haben gesehen, dass es in der Textvorlage nicht auf unseren Kurs anwendbar ist. Also haben wir es auf unseren Kurs zugeschnitten. Jack ist das Vorbild aus “Herr der Fliegen” und wir haben das für mich in Jackie umgewandelt.”
Tim: “(…) “Der Herr der Fliegen” hat die meisten Stimmen bekommen, so gut wie alle. Ich denke, es war eine gute Entscheidung – wir haben ordentlich was draus gemacht!”
Wie sähe eine Welt ohne Autorität in deinen Augen aus? Besser oder schlechter?
Leon: “Ich finde, alle Menschen sind gleich. Aber ich glaube auch, dass manche Menschen fähiger sind als andere, wichtige Entscheidungen zu treffen. Die sind qualifizierter. Ich denke also schon, es ist gut Autoritätspersonen zu haben. Ein Beispiel in einer Klasse: Der Lehrer. Der braucht Autorität, damit man von ihm lernen kann, damit man ne Person hat, an der man sich orientieren kann.”
Katharina: “Eine Welt ohne Autorität ist unmöglich. Das wäre unrealistisch, sowas kann’s nicht geben. Es gibt immer Leute, die was bestimmen müssen und irgendjemand wird hören. Selbst in einer Demokratie gibt’s immer noch Autoritätspersonen. Ein demokratischer Herrscher wird auch mehr Macht besitzen, als alle anderen. Ob das jetzt gut oder schlecht ist? Gut ist es nicht, weil dann jeder macht was er will. Es muss jemanden geben, der sagt wo es lang geht.”
Tim: “Es gibt immer irgendwen, der die Macht beansprucht, über andere zu bestimmen. Auch in unserem Stück ist es so: Der Plan war es, die Jugendlichen ohne Autorität auszusetzen, doch es bildet sich schnell der Gedanke nach Demokratie und Führung. Zurecht haben die Jugendlichen erkannt, dass eine Gesellschaft ohne Spitze, welche das Gemeinwohl sichert, nicht lange überlebt. Selbst im bösen Team gibt es eine gewisse Hierarchie. Eine Welt ganz ohne Autorität hält also nicht lange und ist damit schlechter.”
Wenn du persönlich in der Situation der Jugendlichen aus “Silent Island” wärst, was würdest du tun?
Leon: “Ich hab den Charakter Ralph extra ausgewählt, weil er mir ziemlich ähnlich ist… (überlegt) Also was würde ich machen? Ich weiß nicht genau, ob ich mich an die Spitze stellen würde, aber ich wär auf jeden Fall ins grüne Team gegangen: Ich bin eher für Regel und Ordnung. Ich würde versuchen, ein bisschen Ruhe in die Sache zu bringen, Streit zu schlichten, Probleme zu lösen und alle in Versammlungen miteinzubeziehen.”
Katharina: “Im echten Leben wäre ich nicht ganz so radikal. Klar würde ich dazu tendieren, auch mal was zu bestimmen. Aber trotzdem würde ich “Zum Wohle aller, bin ich nicht die alleinige Herrscherin” sagen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass eine Demokratie, in der wirklich alle gleich sind und bestimmen, nicht existieren kann. Es muss einen Anführer geben.”
Tim: “Wenn ich tatsächlich einer der Jugendlichen wäre, dann wäre ich am liebsten einer der verrückteren Kritiker. Das würde echt Spaß machen, die Truppe aufzumischen. Ich könnte mich auch nicht einer Gruppe zuordnen, sondern würde immer hin und her wandeln und meinen Senf dazugeben. Würde wahrscheinlich auch sehr gut zu mir passen.”
Nach der Premiere sagte Herr Jaehnig, der Regisseur und Lehrer des Kurses, er sei “unheimlich stolz”, die Gruppe habe “fantastische Arbeit geleistet.” Besonders herauszustellen sei, dass die Produktion größtenteils selbstständig von den Schülerinnen und Schülern konzipiert, erarbeitet und strukturiert wurde. Außerdem sei ihre große Bereitschaft lobenswert, da sie sich über den Unterricht hinaus in Proben engagierten: “Dafür herzlichen Dank.“
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