Essay über die Unmöglichkeit und ein kurzer Abstecher zu Gott
“Das Unmögliche ist passiert!”
Wie oft hat man diesen Satz schon gehört – egal ob beim Sieg eines verloren geglaubten Fußballspiels oder bei einem bahnbrechenden Durchbruch in der Wissenschaft. Der Satz wird viel zu häufig und viel zu leichtfertig verwendet. Erst einmal nein!, das Unmögliche ist nicht passiert. Wenn etwas passiert ist, dann muss es möglich gewesen sein – zumindest in dem Moment, als es passiert ist, selbst wenn es zu keinem anderen Zeitpunkt je möglich war oder möglich sein wird. Etwas, das unmöglich ist, kann nicht passieren.
In der Mathematik ist das “unmögliche Ereignis” jenes Ereignis, welches bei einem bestimmten Zufallsversuch niemals eintreten kann. Man kann zum Beispiel, wenn man aus einer Schale mit ausschließlich roten und weißen Kugeln zieht, niemals eine blaue Kugel ziehen, egal wie oft man es versucht.
Bei einem anderen Versuch, bei dem man aus einer Schale mit blauen und weißen Kugeln zieht, wäre es dagegen überhaupt kein Problem, eine blaue Kugel zu ziehen.
Das zeigt, dass das Mögliche und das Unmögliche an Bedingungen geknüpft sind: Menschen können ohne Hilfsmittel nicht fliegen, Weihnachten ist nur einmal im Jahr und man kann eben nur dann eine blaue Kugel ziehen, wenn auch tatsächlich eine vorhanden ist. Manche Dinge sind nur zu einem bestimmten Zeitpunkt möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen gegeben sind, aber zu jedem anderen Zeitpunkt unmöglich. Ein und dieselbe Sache kann sowohl möglich als auch unmöglich sein, aber niemals zur selben Zeit. Teilweise braucht es um aus etwas Unmöglichem etwas Mögliches zu machen nur minimal andere Voraussetzungen. Trotzdem kann nicht alles möglich gemacht werden.
Es gibt einen Übergang zwischen möglich und unmöglich.
“Aber ist dir denn noch nie etwas passiert, was eigentlich unmöglich hätte sein müssen?”
An diesem Punkt bringen viele Menschen Gott oder ein vergleichbares höheres Wesen ins Spiel. Göttliche Wesen scheinen über allem zu stehen – auch über dem Möglichen und Unmöglichen – oder zumindest über dem, was man sich nicht erklären kann; die alte Geschichte also.
Nun stellt sich aber die Frage, ob das potentiell existente göttliche Wesen denn mit seiner göttlichen Macht das Unmögliche möglich machen könnte. Bei dieser Frage geht es nicht um Dinge, die nur zeitweise unmöglich sind oder unter bestimmten Bedingungen möglich sind, sondern um Dinge, die niemals möglich sein können – egal unter welchen Bedingungen. Eine göttliche Macht muss sich von der Macht von etwas Nicht-göttlichen unterscheiden. Das herausragende Merkmal ist dabei, dass sie das bedingungslos Unmögliche möglich machen können muss. Ansonsten wäre die Unterscheidung zwischen göttlicher und nicht-göttlicher Macht unnötig und des Weiteren nicht vorhanden.
Meiner Meinung nach verhält es sich bei der Frage, ob ein Wesen mit göttlicher Macht alles möglich machen kann, so wie bei der Frage, ob eine unstoppbare Kraft einen unbewegbaren Gegenstand bewegen kann oder nicht. Wenn es eine unstoppbare Kraft gibt, dann kann es keinen Gegenstand geben, der sich von ihr nicht bewegen lässt. Wenn es einen unbewegbaren Gegenstand gibt, dann kann es keine Kraft geben, die ihn bewegen kann. Eine unstoppbare Kraft und einen unbewegbaren Gegenstand kann es also nicht auf einmal geben.
Wenn es also ein göttliches Wesen gibt, das alles möglich machen kann, dann dürfte es nichts geben, was bedingungslos unmöglich ist. Wenn es Dinge gibt, die unter allen Umständen unmöglich sind, dann kann es nichts geben, was diese Dinge möglich macht.
Gibt es also etwas Göttliches oder nicht? Diese Frage kann nur jeder für sich selbst beantworten. Aber es gibt zumindest Dinge, die immer unmöglich sind.
Woher weiß man, ob etwas unmöglich oder möglich ist?
Umgangssprachlich werden teilweise auch Dinge, die möglich aber unwahrscheinlich sind, als unmöglich bezeichnet. Manchmal passiert es, dass man etwas als unmöglich bezeichnet (weil man fest davon überzeugt ist, dass es unmöglich ist) und es aber eigentlich möglich ist. Ebenso verhält es sich mit Vermutungen darüber, ob etwas möglich oder unmöglich sein wird.
Es gibt Dinge, bei denen man nicht wissen kann, ob sie möglich sind, es waren oder es sein werden. Sie liegen an der Grenze zwischen dem Möglichen und Unmöglichen. Bei diesen Dingen ist es unmöglich sie angemessen auf ihr “Möglich- oder Unmöglichsein” zu beurteilen.
Fazit:
- Möglich ist etwas, was passieren kann und unmöglich ist etwas, was nicht passieren kann.
- Etwas, das passiert ist, muss möglich gewesen sein. Nicht alles, was möglich ist, passiert.
- Etwas kann sowohl möglich als auch unmöglich sein, aber nicht zur gleichen Zeit. Mögliches und Unmögliches können ineinander übergehen, aber das ist nicht immer möglich.
- Es kann nur bedingungslos Unmögliches geben, wenn es unmöglich ist, alles möglich zu machen. Es kann keine Kraft geben, die sich dem widersetzt.
- Die Entscheidung, ob etwas möglich oder unmöglich ist, ist nicht immer möglich.
- Es gibt Grenzbereiche zwischen möglich und unmöglich.
Ein paar abschließende Worte (kein Fazit):
Es grüßen das Allmachtparadox und das Paradox von der unwiderstehliche Kraft (irresistible force paradox). Diese Paradoxe habe ich nicht entwickelt und sie sind auch schon ziemlich alt.
Laut Wikipedia steht bei einem Essay die persönliche Auseinandersetzung des Autors mit dem Thema im Mittelpunkt und das wissenschaftliche Vorgehen ist nicht so wichtig. Das ist genau das, was ich in diesem Text sehe – nicht mehr und nicht weniger.
Zu diesem Essay wurde ich inspiriert durch eine Diskussion, die ich zu diesem Thema geführt habe. Es würde mich freuen, wenn auch Ihr, verehrte Lesenden, euch davon inspiriert fühlt und vielleicht auch eure eigenen philosophischen Überlegungen anstellt und diese vielleicht sogar mit anderen austauscht.
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