Obwohl er nun Artikel 17 heißt, ist der Inhalt weiterhin besser unter Artikel 13 bekannt und wie die Unglückszahl vermuten lässt, heißt er trotz seiner Fassade als Urheberschutz nichts Gutes. Jedenfalls nichts Gutes für jeden, der gerne im Internet unterwegs ist und sich dort kreativ zu schaffen macht oder die Arbeit anderer Kreativer verfolgt und dabei in irgendeiner Form Material anderer verwertet wird. Memes gehören damit als bekanntestes Beispiel bald der Vergangenheit an. Aber auch Reviews, Parodien und Satire von zum Beispiel Filmen und Songs sind gefährdet. Nur was genau steht eigentlich in Artikel 13, beziehungsweise Artikel 17? Worüber regen sich alle so auf und warum wurde trotz allem für diese neuen EU-Richtlinien gestimmt?
Seit Monaten schon steht der damals noch Artikel 13 genannte Artikel 17 in der Diskussion. Es wurde protestiert mit Petitionen wie #savetheinternet, Liedern wie der Artikel 13 Disstrack von Raportagen und die europaweiten Demonstrationen am 23.03.2019 an denen hunderttausenden von Leuten teilgenommen haben und auf die Straße gegangen sind. Wird das Internet getötet? Wird es keine Memes mehr geben? Wird YouTube zu einer Mediathek verkommen? Vor allem über YouTube wurde die Kunde verbreitet, darunter auch viel Panikmache und Halbwahrheiten. Also jetzt die große Preisfrage: Was steht denn eigentlich genau in diesem Artikel?
Demonstration gegen Artikel 13 am 23.03.2019 in Frankfurt am Main
Wie sah denn die Rechtslage eigentlich bisher aus?
Bisher wurde es so gehandhabt, dass bei Urheberrechtsverletzungen die Urheberrechtsverletzenden haften mussten, die Plattform, auf der die Urheberrechtsverletzung stattfand aber nicht dafür hinhalten musste, wenn sie nichts davon wusste. Ein Beispiel: Ein User lädt illegaler Weise den ersten Teil der Fluch der Karibik Film-Reihe auf YouTube hoch. YouTube bekommt das zunächst nicht mit, aus welchen Gründen auch immer. Disney wird aufmerksam auf dieses Video und informiert YouTube darüber. Bis zu diesem Moment konnte YouTube für dieses Video nicht haftbar gemacht werden, da sie nichts davon wussten. Erst jetzt sind sie verpflichtet entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Der primär dafür haftende aber ist der User, der das Video hochgeladen hat.
Das hat einigen so noch nicht gereicht. Daher also Artikel 17.
Der Artikel 17 der Urheberrechtsreform ist in zehn Absätze unterteilt, die insgesamt ein großes Ganzen geben sollen, das ganz toll ist, leider aber herzlich wenig Sinn macht und sich dabei auch noch widerspricht. Aber fangen wir beim Anfang an.
- Der erste Absatz des Artikels besagt, dass Plattformen für die Handlungen ihrer User verantwortlich sind. Wenn ein User etwas Urheberrechtsverletzendes hoch lädt, haften die Plattformen also dafür. Um das zu vermeiden, können Plattformen sich Lizenzen für zum Beispiel Lieder kaufen.
Zunächst kommt beim „normalen“ User die Frage auf, ob der denn nun selbst gar nicht mehr haften kann. Schließlich haften die ganzen Plattformen, also kann ich ja zunächst mal tun und lassen was ich will, oder?
- Im zweiten Absatz wird dann klargestellt, dass die von der Plattform gekauften Lizenzen auch für Nutzer gelten, soweit sie damit nichts oder wenigstens nicht viel verdienen.
Dann steht da aber nicht, wie viel genau Nutzer mit den Lizenzen der Plattformen verdienen dürfen. Denn im zweiten Absatz sind „significant revenues“ nicht weiter definiert.
- Der nächste Absatz klärt dann nochmal, dass die oben beschriebene bisherige Regelung nicht mehr gilt. Auch wenn zum Beispiel YouTube nichts davon weiß, haften sie für Videos, die die Urheberrechte verletzen.
- Wie sich die Plattformen vor Haftung schützen können ist im vierten Absatz ausgeführt. Wenn sie sich bemühen, eine Lizenz abzuschließen, spezifische Werke zu entfernen, nachdem die Rechteinhaber darauf hingewiesen haben, dass diese Werke ihre Rechte verletzen, dabei sofort gehandelt und ihr Bestes getan haben, um erneutes Hochladen zu verhindern, dann sind die Plattformen „safe“.
Auf diesen Absatz zeigen viele Befürworter von Artikel 17 gerne, da steht schließlich gar nichts von Uploadfiltern. Nur dass die Plattformen verhindern müssen, dass Inhalte nicht hochgeladen werden, soweit sie urheberrechtlich geschütztes Material verwenden, das ihnen nicht gehört. Ein Beispiel, das viele gern verwenden:
Jemand bekommt die Aufgabe, innerhalb von neun Stunden von Frankfurt am Main nach New York zu kommen. Ein Flugzeug ist mit keinem Wort erwähnt, aber es ist trotzdem die einzige Lösung. So ist es auch hier, die Uploadfilter werden nicht explizit formuliert, aber sie sind für die Plattformen die einzige Lösung.
- Der fünfte Absatz erläutert dann, dass im Einzelfall entschieden werden muss, in wie fern diese Bedingungen erfüllt worden und was genau die Folgen sind. Das wird in Abhängigkeit von unter anderem dem Ausmaß des Verstoßes bemessen.
Die Formulierung von diesem Absatz stört, denn es heißt, dass unter anderem die folgenden Elemente berücksichtigt werden sollen, woraufhin zwei Punkte folgen. Aber was sind die anderen Punkte, auf die hingedeutet wird?
- Der sechste Absatz erläutert dann die Bedingungen für Ausnahmen. Gibt es eine Plattform weniger als drei Jahre, macht weniger als zehn Millionen Euro Umsatz pro Jahr und hat weniger als fünf Millionen Besucher im Jahr, müssen sie nicht den Upload von urheberrechtsverletzenden Inhalten verhindern.
- Absatz sieben will sicherstellen, dass erlaubte Inhalte wie Satire, Parodien und Reviews weiterhin hochgeladen werden können.
Trotz allem soll also der Bestand erlaubter Ausnahmen garantiert werden, aber hier scheitert es an der Umsetzung. Ein Uploadfilter, der die einzige Lösung ist, kann zwischen Plagiat und Zitat, zwischen dem unerlaubten Hochladen eines Films und einer Parodie, kaum unterscheiden.
- Absatz acht will dazu auch verhindern, dass es totale Überwachung gibt.
Dieser Absatz hat ein ähnliches Problem. Es soll nicht zur vollständigen Überwachung kommen, aber wie soll sonst verhindert werden, dass kein Beitrag gegen die Urheberrechte verstößt?
- Im neunten Absatz wird erklärt, dass es Möglichkeiten zur Beschwerde geben muss, sollte ein Beitrag zu Unrecht entfernt werden. Dadurch entstehende Streits müssen zum Beispiel vor Gericht geklärt werden können, und erlaubte Ausnahmen wie aus dem siebten Absatz müssen in den AGB (Allgemeinen Geschäftsbedingungen) festgehalten werden.
Die verlangte Verfügbarkeit einer menschlichen Kontrolle im Falle von Beschwerden ist aber kaum nachzukommen. Schließlich werden durchgehend Unmengen von Beiträgen auf einmal hochgeladen. Für all die ständig eine menschliche Kontrollinstanz parat zu haben, ist unmöglich, da dafür Angestellte ohne Ende nötig wären.
- Der letzte Absatz beendet den Artikel dann damit, dass sich alle beraten sollen, was die beste Lösung wäre, um einen Leitfaden zu erstellen. Mit „alle“ sind die EU-Kommission, die einzelnen Länder mit ihren Politikern, den Betreibern von wichtigen Plattformen und wichtige Gemeinschaften der User und Urheber gemeint.
Viele Protestanten machen sich mit ihren Plakaten und Schildern über den Politiker Axel Voss (CDU) lustig, der sich für Artikel 13 eingesetzt hat.
Das steht da also drin oder eben auch nicht. Wer Sinn für Ironie hat, schmunzelt eventuell sogar beim Lesen dieses Artikels, da er eine gewisse Naivität und fast schon Ahnungslosigkeit ausstrahlt. Zwar hat der Artikel 17 mit dem Schutz der Urheberrechte gute Absichten, die eindeutig weiter verfolgt werden sollten, die Umsetzung ist hier aber leider absolut mangelhaft und könnte die Kreativität, Meinungs- und Pressefreiheit im Netz erheblich einschränken.
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